Zum krönenden Abschluß der Saison 2009 hatte ich mir den Eindhoven-Marathon ausgesucht. Ursprünglich war eigentlich der Lauf "Rund um den Baldeneysee" in Essen angedacht gewesen, aber da dort kein Halbmarathon angeboten wird und Petra und Susanne mal wieder diese Strecke in Angriff nehmen wollten, fiel die Entscheidung letztlich für den Lauf in den Niederlanden - aufgrund der dort zu erwartenden Stimmung entlang der Strecke bestimmt auch keine schlechte Entscheidung. Beide Kurse bestanden aus zwei Runden, also war in dieser Hinsicht auch kein Vor- oder Nachteil vorhanden (obwohl ich prinzipiell lieber eine große Runde laufe).
Mit von der Partie auf der Marathondistanz war Christian Servos, der nach seiner Premiere beim diesjährigen Kevelaer-Marathon auf den Geschmack gekommen war. Auch Reinhard Conen wollte endlich seinen zweiten Marathon laufen, aber berufsbedingter Trainingsrückstand ließen höchsten einen Start auf der Halbdistanz zu. Auch dies fiel dann für Reinhard ins Wasser, als er nach gerade überstandener Grippe ein ärztliches Startverbot erhielt - es sollte halt in diesem Jahr nicht mehr sein. Reinhards Startnummer wurde kurzentschlossen von Christel Winkels übernommen, die in der Woche zuvor gerade erst den Köln-Marathon gelaufen war.
Da der Start des Halbmarathons erst um 14:15 war, die Marathonis aber schon um 11:00 auf die Strecke geschickt wurden, fuhren Christian und ich zunächst alleine nach Eindhoven; Susanne, Petra und Christel samt Begleitung in Person von Reinhard und Karl Winkels machten sich erst später auf den Weg.
Nach problemloser Anreise wurden wir zu einem Parkplatz auf dem Gelände der Technischen Universität geleitet; hier befanden sich auch die Duschgelegenheiten. Mit einem Shuttlebus ging's dann zum Bahnhof, in dessen Nähe sich die Startnummerausgabe und eine kleine Marathonmesse befanden. Auch hier war alles bestens organisiert; nach weiteren zehn Minuten Fußmarsch war der Start- und Zielbereich gefunden. In unmittelbarer Nähe des Nachzielbereichs konnte man seine Tasche in einer Tiefgarage deponieren und hatte somit nach dem Lauf die Möglichkeit, direkt in trockene Klamotten zu wechseln - sehr angenehm.
Die Startblöcke waren etwas unübersichtlich ausgeschildert, aber schließlich hatten wir unseren "Käfig" erreicht. Die Temperaturen waren zu diesem Zeitpunkt noch recht frisch, aber immerhin blieb es zunächst trocken - im Widerspruch zu sämtlichen Wettervorhersagen, die alle Regen gemeldet hatten. Nun gut, auf diese Art und Weise dürfen sie sich gerne irren...
Und dann ging's auch schon los - überpünktlich fiel der Startschuß, und nach wenigen Sekunden war bereits die Startlinie überschritten. Ich hatte mir vorgenommen, eine Zeit von um die 3:40 anzupeilen und eventuell sogar meine PB von 3:38, gelaufen im Frühjahr dieses Jahres in Düsseldorf anzugreifen - aufgrund des Trainings der vergangenen Wochen erschien dies durchaus realistisch.
Ich wollte die ersten 15km etwas verhalten angehen und dann bis etwa km 25 Gas zu geben. Das erste Drittel lief dann auch sehr locker, die Kilometer flogen nur so vorbei. Verpflegungsstellen gab es etwa alle 2,5 Kilometer - immer abwechselnd eine reine Wasserstelle und dann ein größerer Versorgungsposten, an dem Wasser, Iso-Drink ("AA") und Apfelsinenstücke gereicht wurden. Was mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht besonders auffiel war, daß die üblichen Bananen oder andere feste Nahrung fehlten. Was mir ebenso nicht vollständig klar war: diese frühen Verpflegungsstellen sollten natürlich die gleichen sein wie 21 Kilometer weiter auf der zweiten Runde. Aber für den Moment war noch keine Nahrungsaufnahme erforderlich.
Bei der Runde durch die Außenbezirke der Stadt fiel mir auf, daß es in Eindhoven so gut wie keine alten Gebäude gibt - an allen Ecken finden sich fast ausschließlich moderne und ultra-moderne Architektur, angefangen beim Uni-Campus über den Bahnhofsbereich bis hin zum Philips-Stadion, in dem der PSV Eindhoven zuhause ist. Aber auch bei den Wohngebäude ist kaum alte Bausubstanz zu finden. Begründet liegt dies in den schweren Angriffen der Alliierten im Jahr 1944, denen die Stadt im Rahmen der Operation "Market Garden" ausgesetzt war - beim Wiederaufbau wurden nur sehr wenige historische Gebäuder restauriert, so daß die Stadt für niederländische Verhältnisse, etwa im Vergleich zu Venlo oder Nijmegen, einen sehr modernen Eindruck macht.
Stimmungsmäßig ließen sich die Eindhovener aber nicht lumpen: entlang der gesamten Strecke waren Stimmungskapellen im Einsatz, die ihr Bestes gaben, dazwischen waren DJs im Einsatz, die ihren mobilen Discos das letzte entlockten. Dadurch wurde es auf der Strecke nie langweilig, auch wenn die niederländischen Schlager teilweise doch etwas gewöhnungsbedürftig klingen. Lustig das Werbebanner eines Bau-Unternehmens irgendwo auf der Strecke: "Firma XY präsentiert Ihnen: den Mann mit dem Hammer!" - sinngemäß ;-)
Den Halbmarathonpunkt erreichte ich nach etwas über 1:46 und lag damit sogar noch knapp eine Minute vor meiner Zeit in Düsseldorf. Beim Passieren des Zielbereichs konnte man auf einer großen Leinwand den Kopf des Feldes verfolgen: drei Afrikaner lagen zu dieser Zeit in Führung, hatten bereits 35 Kilometer hinter und noch knapp 20 Minuten vor sich. Immer wieder unglaublich... der Sieger, Geoffrey Mutai aus Kenia, sollte schließlich mit 2:07:00 den alten Streckenrekord um 50 Sekunden verbessern.
Ab etwa Kilometer 25 wurde es für mich merklich schwerer, das Tempo von um die 5min/km zu halten, und so langsam wäre eine Banane willkommen gewesen. Aber die Verpflegungsstände hatten immer noch das gleiche Angebot wie in der ersten Runde, und es wurde ganz offensichtlich, daß auch keine "Nachrüstung" stattfinden sollte. Auch auf Nachfrage wurde dann von den Streckenposten bestätigt, daß es wirklich bei flüssiger Verpflegung bleiben sollte. In der Ausschreibung stand zwar, daß "fruit" zur Verfügung stehen sollte, aber daß sich dieses Obst auf ein paar Apfelsinenstücke zum Auslutschen beschränken sollte, konnte man nun wirklich nicht erwarten!
Darauf war ich natürlich überhaupt nicht eingestellt, sonst hätte ich mir ein paar Gels oder Riegel eingesteckt. So aber blieb mir nichts anderes übrig, als das letzte Drittel mit deutlich knurrendem Magen zurückzulegen. Das konnte nicht gutgehen, die Kilometerzeiten näherten sich rapide der 6-Minuten-Grenze, und das Ziel von "unter 3:40" war außer Reichweite gerückt.
Bei etwa km 35 rauschte dann der 3:45-Pacemaker an mir vorbei. Ein paar Hundert Meter konnte ich mich noch dranhängen, dann mußte ich die Gruppe ziehen lassen. Ein kräftiger Regenschauer zu dieser Zeit ließ dann die Motivation endgültig in den Keller sinken. Mit patschnassen Schuhen kämpfte ich mich von einem Kilometerschild zum nächsten.
Als allerletzte Motivation konnte ich mir dann noch die 3:48 setzen - Uli Baumanns Bestzeit auf der Marathonstrecke. Und tatsächlich, ein bißchen ging noch auf den letzten Kilometern. Bei etwa km 40 war die Altstadt erreicht, hier herrschte dann tatsächlich Karnevalsathmosphäre, und es schien so, als ob jeder Zuschauer "Thomas, Thomas!" brüllen würde (Name stand auf der Startnummer). Dabei hatte ich fast Karl und Reinhard übersehen, die diese Texthilfe nicht benötigten und bei etwa km 41 auf mich gewartet hatten!
Der letzte Kilometer war dann leider wieder etwas zuschauerärmer. Zusammen mit einer kleinen fiesen Steigung, die ich auf der ersten Runde kaum bemerkt hatte, zog er sich gefühlt fast endlos hin, bis endlich der Zielbogen auftauchte. Kurz davor sehe ich nochmal Karl und Reinhard (wie haben die das so schnell hierhin geschafft?), dann Blick auf die Uhr: 3:47:40, zwei Stunden für die zweite Runde, aber immerhin als kleiner Trost noch unter Ulis Bestzeit geblieben...
Die Verpflegung im Zielbereich hatte auch nicht mehr zu bieten als unterwegs, sprich: nichts handfestes. Der einzige Unterschied war, daß es das AA-Getränk nicht verdünnt, sondern pur gab - immerhin ein willkommener Zuckerschock. Am Ausgang warteten Karl und Reinhard auf mich, bevor ich mich schnellstes in die Tiefgarage zu meiner Tasche begab, um in trockene Sachen zu kommen. Anschließend machte ich mich auf den Weg zurück zur Uni, wo eine heiße Dusche auf mich wartete.
Per Handy bekam ich zwischendurch die Mitteilung, daß Christian nach 4:31 ins Ziel gekommen war. Nachdem er die erste Runde in 2:06 absolviert hatte, schien sein Ziel von um die 4:15 noch realistisch, doch nach etwa 38 Kilometern verließen ihn die Kräfte für einen Endspurt.
Nach etwa einer Stunde trafen wir beide uns dann mit Karl und Reinhard im Zielbereich, um gerade eben noch Christel und Petra auf den letzten Metern des Halbmarathons anfeuern zu können - nach 2:24 liefen sie Hand in Hand über die Ziellinie. Susanne war bereits 10 Minuten vorher angekommen, war aber leider unserer Aufmerksamkeit entgangen.
Auch die Mädels wollten nun schnellstmöglich in andere Klamotten schlüpfen. Da wir sowieso in zwei Gruppen verschiedenen Strecken auf dem Heimweg zu fahren hatten, machten Reinhard, Christian und ich uns schon auf den Weg nach Hause. Eine Einbahn-Baustelle, die auf dem Hinweg nicht gestört hatte, zwang uns zu einem kleinen Umweg "über die Dörfer", aber ansonsten verlief die Rückfahrt problemlos.
Tja, wie soll man diesen Lauf bewerten? Es ist natürlich schade, wenn nach wochenlangem Training der eigentliche Lauf durch eine unzureichende Verpflegung auf der Strecke nicht vernünftig zu bewältigen ist. Auf der anderen Seite steht aber immer noch meine drittbeste Marathonzeit zu Buche, so daß man diesen Marathon rückblickend wohl mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten sollte. Und nach dem Lauf ist vor dem Lauf ;-)
Veranstaltungen am Niederrhein und/oder mit der LLG am Start: